Ein »Softwareroboter« namens EMMA
EVU trifft auf RPA | Digitalisierung in der Versorgungswirtschaft
Was im Zuge der Digitalisierung als innovative Spielwiese der IT begann, entwickelte sich zum Effizienztreiber der EVU und Stadtwerke. Doch wie integriert sich die robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) in die Abläufe etablierter Strukturen? Worauf ist zu achten, um in der Praxis tatsächlich Effizienzsteigerungen, Qualitätsvorteile und Robustheit zu erzielen, während Krisen, sozioökonomische und technische Herausforderungen die Resilienz der Versorgungswirtschaft auf die Probe stellen? Die iS Software GmbH und Wianco OTT Robotics GmbH zeigen, wie die digitale Transformation gelingt.
Die strategische Transformation auf dem Weg zur Digitalisierung beschäftigt zunehmend auch mittelständische und kleinere Stadtwerke und EVU. Kann man mit der robotergestützten Automatisierung ganzer Geschäftsprozesse (Robotic Process Automation – RPA) und
unter Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) dem zunehmenden Fachkräftemangel, den Energiekrisen und den regulatorischen Anforderungen begegnen? Verführerisch ist der Gedanke an eine sich selbst erfüllende und zugleich selbst dokumentierende Arbeit im 24/7-Takt, die sukzessive auf die Unternehmensziele und die Wünsche der Mitarbeiter und Kunden einzahlt. Maßnahmen, die den Automatisierungsgrad steigern, sind nicht neu – was ist es also, was RPA in Verbindung mit künstlicher Intelligenz so interessant macht. Weshalb beeinflusst gerade diese Technologie zunehmend die Arbeitsweisen von Fach- und Führungskräften in den Unternehmen?
Entstehung robotergestützter Prozessautomatisierung
Bereits in den 1990er Jahren wurden erste kommerzielle Automatisierungssysteme entwickelt, der Begriff Robotic Process Automation taucht um das Jahr 2000 auf. Relevante Vorgänger der späteren RPA-Systeme waren Screen-Recording- Software, Desktop-Makros sowie Werkzeuge zur Automatisierung und Verwaltung von Geschäftsprozessen – den Workflows.
Beim Screen-Recording zeichnet eine Software alle Bewegungen des Mauszeigers, Klicks und Texteingaben auf, damit diese in einem gleichartigen Prozess abspiel- beziehungsweise wiederholbar werden. Die Software »merkt« sich die exakten Koordinaten der angeklickten Elemente/Objekte und die eingegebenen Texte. Dieser Ansatz war unflexibel und wenig »intelligent«, die fehlende »Erkennung und Analyse« von Sachverhalten oder Mustern ermöglichte keine weitere Verarbeitung. Weiter entwickelt waren die Desktop-Makros sowie programmierte Daten-Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Systemen. Jedoch erfordert dies erneut profunde Kenntnisse im Bereich der Softwareentwicklung und eine zeit- und kostenintensive Integration heterogener Anwendungen.
Intelligente Software-Bots heute
Robotergestützte Prozessautomatisierung projiziert das Bild humanoider, physischer Maschinen, die mit einer visuellen Wahrnehmung Objekte greifen, um sie von A nach B zu befördern. Fortschrittliche RPA-Lösungen können physisch in Erscheinung treten, indem sie über visuelle und bewegte Systeme (Machine-Vision-Komponenten und Kinematiken) die Human Machine Interfaces (HMI) bedienen, beispielsweise über Touchscreens in Steuerungsanlagen. Überwiegend existieren sie jedoch als »intelligente Software-Roboter«. Die beförderten Objekte sind hier Informationen und Daten, die aus einem System A gelesen und verstanden werden, um dann einen relevanten Teil in System B zu übertragen. Dies geschieht mittels KI und Natural Language Processing (NLP). »Verstehen« bezeichnet hier die Fähigkeit der KI, gelesene Informationen zu kategorisieren, um entscheiden zu können, welche Aktion mit oder auf Basis dieser Informationen durchzuführen ist.
Es gibt RPA-Ansätze, die primär über Programmierstrukturen operieren und neue Systeme, die über Benutzeroberflächen mithilfe kognitiver KI-Technologien arbeiten (Cognitive AI RPA). Sie imitieren die kognitiven Fähigkeiten eines menschlichen Benutzers. Der RPA-Bot erkennt Zustände und Veränderungen durch visuelle und auditive Verarbeitungsmechanismen. Für die visuelle Aufnahme und Interpretation von Informationen kommen hierbei Objekterkennungsverfahren (über Shape- Erkennung) sowie Texterkennung (via OCR) kombiniert mit der Auswertung natürlichsprachlicher Informationen (über NLP) zum Einsatz. Die Verarbeitung von Audioreizen erfolgt über Audio Detection mit Spracherkennung, um so Sprachdialogsysteme (Voice Control) in die Automatisierung einzubinden.
Quo vadis
Nach wie vor unterscheiden sich die Vorstellungen darüber, was sich durch Digitalisierung verändern wird, stark. So kann es der Weg von der Papierrechnung zu PDF-Dateien sein, also etwas Analoges in eine digitale Form zu bringen (Nullen und Einser). Tatsächlich geht es aber vielmehr um die Automatisierung ganzer Geschäftsprozesse, um mittel- und langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Trotz anfänglicher Gerüchte, es handle sich lediglich um eine vorübergehende Brückentechnologie, kann der Einsatz von RPA dies tatsächlich leisten. Die Erkenntnis setzt sich durch, dass die derzeitigen Systementwicklungen und Veränderungen bestehender Schnittstellen keinen anderen Weg erlauben, um die Datentransfers wirtschaftlich darzustellen.
Bisher forderten Fachbereiche fachliche Systeme an, IT-Abteilungen hingegen IT-Systeme, um die Daten- und Kommunikationsinfrastruktur aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Gemeinsames Credo: Die Einführung und Integration neuer IT-Systeme erfolgt prinzipiell über
die IT-Abteilungen. Um den operativen Betrieb sämtlicher Plattformen sicherzustellen, bezieht die IT in der Regel eine zu Recht konservative Stellung. Allzu leicht kann eine Veränderung einer bestehenden Schnittstelle zwischen zwei Systemen beide beschädigen.
Lösungen, die Programmierkenntnisse erfordern, wurden als IT-Projekte evaluiert und eingeführt. Der wirtschaftliche Nutzen stand nicht immer in einem positiven Verhältnis zum Aufwand. Ein Know-how-Transfer vom Fachbereich auf den Entwickler war zeitintensiv und kommunikativ oft schwierig, der Programmierer – eine knappe und teure Ressource – musste auch Wartung und Betrieb der automatisierten Prozesse übernehmen.
Kollegin EMMA
Durch den rasanten technologischen Fortschritt ändert sich alles – die neue (digitale) Kollegin EMMA ist da. Die Entwicklung der No-Code-RPA-Lösung basierend auf Cognitive AI der Wianco OTT Robotics GmbH ermöglicht den Fachbereichen,
ihre Prozesse selbst zu automatisieren. Kein Know-how muss übertragen werden und die Kosten der Automatisierung und ihres anschließenden Betriebs werden deutlich reduziert. No- Code-Lösungen sind völlig unabhängig von Softwareentwicklern. Je einfacher die Bedienung und je flexibler die Anwendbarkeit einer Lösung, desto stärker ist ihre Akzeptanz und ihr langfristig wirtschaftlicher Nutzen im Unternehmen. Durch ihre intuitive Vorgehensweise aus End-User-Perspektive wird EMMA die Fachbereiche überzeugen. Die Lösungen funktionieren unabhängig von Programmierstrukturen und Updates und erfordern keine IT-Expertise (beispielsweise HTML-/DOM-/XMLStrukturen). Sie sind revisionssicher mit aktiver Beweisführung und integrieren sich problemlos in bestehende IT-Architekturen und unterschiedliche Betriebssysteme (wie MacOS). Alle Bot-Aktionen (von EMMA) werden über reguläre User Logins und bestehende Benutzerprotokolle festgehalten, (Code-)Manipulation ist ausgeschlossen, da kein Application Scripting notwendig ist.
Chancen der Einführung
Systemübergreifende Prozesse werden also künftig direkt durch interne Prozessexperten automatisierbar, sie entwickeln sich zu »Citizen Developers«. Ein »Center of Excellence« (CoE), das sich aus Beteiligten beider Welten zusammensetzt – Mitarbeitende aus den Fachbereichen und der IT – könnte dies koordinieren. Auch die Verzahnung der Geschäftsprozesse unterschiedlicher Abteilungen erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die Lösung kann eine neue Abteilung Prozessautomatisierung sein, die das fachübergreifende Prozessverständnis und die erlangten Automatisierungsfähigkeiten vereint und so nachhaltige und skalierbare Digitalisierungserfolge erzielt.
Zur Überwindung von Digitalisierungsängsten spielt das Changemanagement der neuen Abteilung eine zentrale Rolle. Mitarbeiter, die sich in die Umsetzung einbezogen fühlen, haben weniger Bedenken. Aus dem Citizen Developer entstehen nach und nach die »RPA Champions«: Diese beherrschen den Tooleinsatz über die erlangten, profunden Automatisierungskenntnisse und sind in der Lage, Kollegen zu Citizen Developers auszubilden und weitere Fachbereiche in der Umsetzung der Strategie zu unterstützen. So lassen sich die Automatisierungserfolge skalieren.
Process Mining
Process Mining ist eine vorgelagerte Funktion, die zur Ermittlung relevanter Automatisierungen eingesetzt wird. Gesucht ist ein Vorgehen, das sich auf möglichst viele Geschäftsprozesse anwenden lässt und zugleich die Diversität der Prozesse einbezieht. Process Mining ist eine
Technologie, die Data Science und Prozessmanagement miteinander verbindet und eine zentrale Rolle in der Automatisierung von Prozessen spielt. Das Process Mining bedient sich der Event-Log-Daten aus der IT, um Prozesse zu rekonstruieren und zu visualisieren. Das hat gewisse Vorteile gegenüber klassischen Prozessanalysemethoden, wie Interviews und Workshops. Die datengetriebene Effizienz, faktenbasierte Sicht und größere Unabhängigkeit von Prozesseignern, deren Rolle sich dadurch vom kritischen Wissensträger zum strategischen Berater entwickelt, ist auch vorteilhaft für die Prozesspotenzialbewertung. Bewertungen von Qualität und Kritikalität der Prozesse – in manueller wie maschineller Durchführung – dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Die revisionssichere Prozessdokumentation ist ein weiterer Vorteil.
Ausblick
Die rasanten Entwicklungen der Digitalisierung, ihre Auswirkungen auf die betrieblichen Abläufe und die wachsenden Möglichkeiten KI-basierter Lösungen stellen Unternehmen jeder Größe vor neue Herausforderungen. Weiter wachsende regulatorische und prozesstechnische Anforderungen und beschleunigte Geschäftsabläufe erhöhen zudem den Druck in den Teams, auf diese Veränderungen adäquat zu reagieren. Daher kann es entscheidend sein, die bestehenden Abläufe hinsichtlich Angemessenheit, Performanz und Qualität neu zu bewerten und auf ein sich veränderndes Umfeld neu auszurichten. Diesen Aspekten zukunftsgerecht zu begegnen ist Aufgabe eines neuen Verantwortungsbereichs, der sich idealerweise sowohl aus strategischen Einheiten der IT und den Fachbereichen zusammensetzt und neben dem Managementsupport der Unternehmensführung den Mitarbeiter-Buy-in kultiviert.
iS Software setzt seit nunmehr 12 Monaten EMMA in diversen Anwendungsszenarien ein. Neben den bereits genannten Zielen geht es vor allem um ein erfolgreiches Zusammenspiel zwischen den spezialisierten Fachkräften, die signifikante Entlastung der Fachkräfte um einfache, ermüdende und immer wiederkehrende klick-und-push-Aufgaben, um Prozessqualität und um Wirtschaftlichkeit. Derzeit werden die RPAgestützten Prozesse im internen Umfeld getestet, erste Erkenntnisse hat iS Software auf der Anwendertagung im Herbst 2022 den rund 200 Teilnehmern vorgestellt. Die Reaktionen waren zunächst »kontrolliert positiv«, haben sich aber nach einem Aufklärungsfilm und nach Diskussionen in eine grundsätzlich positive Grundhaltung entwickelt. Selbstverständlich ist man gegenüber einer für die Energiewirtschaft relativ neuen Technologie erst mal skeptisch.
iS Software wird zusammen mit Wianco Einsatzgebiete suchen, testen und realisieren. EMMA RPA ermöglicht eine breite Akzeptanz und punktet durch den Einsatz anwenderzentrischer, einfacher Automatisierungslösungen gegenüber anderen, komplexen Lösungen. Die Fähigkeiten seiner fachlichen, cross-funktionalen Teams zu erweitern, wird neue wertschöpfende Potenziale im Unternehmen freisetzen. iS Software will erste greifbare Ergebnisse/Lösungen in den nächsten 24 Monaten zur Verfügung stellen.
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